Artgerecht ist anders

Kastenstände: Ein Schweineleben auf knapp zwei Quadratmetern

15. Mai 2016 von

Seit Jahren ignorieren viele Schweinezüchter Deutschlands die Richtlinien für die Haltung ihrer Tiere. So werden die Säue über lange Strecken ihres Lebens in viel zu kleinen Kastenständen fixiert. Die Umstellung in den Ställen nach behördlichen Kontrollen erfolgt schleppend bis gar nicht. Ein aktuelles Urteil soll das ändern.

Es sind keine schönen Bilder, die das ZDF so kurz vor der Grillsaison zu einem Beitrag zusammengefasst hat. Anschaulich wird erläutert, wie ein modernes Schweineleben aussieht: Mehrere Wochen werden die Säue in einen engen Stahlkäfig gesperrt. Sind sie trächtig, dürfen sie für einige Zeit hinaus in die Gruppenhaltung. Spätestens zur Geburt der Ferkel müssen sie dann in einen weiteren Stahlkorb, in dem sie sich kaum bewegen können. Nach kurzer Stillzeit beginnt der Zyklus von neuem. Immer wieder führen die Schweinezüchter an, dass diese Haltung dem Schutz der Säue und der neugeborenen Ferkel dient.

60 Millionen Schweine schlachten wir in Deutschland jedes Jahr. Tierschützer fordern schon lange, dass auch in der Produktion von Ferkeln auf artgerechte Tierhaltung geachtet wird. Aber die meisten Züchter halten sich nicht einmal an die Mindestvorgaben. So sind die verwendeten Kastenstände oft wesentlich schmaler als die vorgegebenen 70cm pro Tier. Die Folge: Die Säue können sich nicht richtig hinlegen und ihre Beine ausstrecken. Bei Bewegungen in den kleinen Stahlkäfigen scheuern sie sich wund.

Bereits ein Frontal 21-Bericht von 2014 zeigte die Missstände auf:

Keine Sau will so leben

Dabei sind Schweine Herdentiere. Sie machen beinahe alles in der Gruppe. Nur selten benötigen sie Rückzugsmöglichkeiten – etwa wenn einzelne Tiere im Kampf um die Hierarchie unterlegen sind. Verbesserte Haltung in der Schweinezucht ist kein Hexenwerk, wie es die baden-württembergische Schweinezucht Boxberg zeigt: Dort setzen die Züchter auf flexible Kastenstände und Gruppenhaltung. In den breiteren Stahlkäfigen werden die Tiere lediglich kurze Zeit zur Besamung fixiert. Ansonsten können sie die Stände jederzeit verlassen und in der Gruppe leben.

Eine solche Haltung allerdings benötigt mehr Platz als die viel kleineren, festen Kastenstände, in denen die Tiere wochenlang fixiert werden. „Die Industrie hat ein Interesse daran, dass die Kastenstände so schmal sind, weil die Tiere nur so quasi bewegungslos fixiert sind,“ erklärt Sandra Franz, die Sprecherin von Animal Rights Watch im ZDF-Beitrag, und ergänzt: „Unserer Ansicht nach muss es auf eine Abschaffung der Kastenstände hinauslaufen.“

Neues Urteil aus Magdeburg

Ein neues Urteil könnte diesen Prozess nun beschleunigen. Die Richter des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg haben nach einem langen Verfahren gegen einen Schweinezüchter entschieden, dass die Schweine sich in den Kastenständen ausreichend bewegen können müssen. Wie Beweismaterial zeigte, war das bei einer Größe unter 70cm nie der Fall.

Immer noch allerdings werden bei Kontrollen viel zu kleine Kastenstände akzeptiert. Mit der Begründung, Umstellungen bräuchten Zeit, und man könne die Umsetzung der Verordnung nicht von jetzt auf gleich verlangen. Bleibt zu hoffen, dass es mit dem Urteil aus Magdeburg nun wenigstens ein wenig schneller geht. Aber auch die Konsumenten sind gefragt: Mehr Platz für Schweine bedeutet auch einen höheren Preis für das produzierte Schweinefleisch.

Jörg Göbel und Christian Rohde fassen zum Schluss ihres Beitrags zusammen: „Damit es den Schweinen in Deutschlands Tierfabriken besser geht, braucht es schärfere Gesetze,Behörden, die durchgreifen, und Verbraucher, die für ein bisschen mehr Schweineglück tiefer in die Tasche greifen.“