Ein Interview über Rosenblatt, Sandelholz & Co.

Aromatherapie: Können Düfte heilen?

22. Juli 2018 von

„so gesund“-Autorin Carola Hoffmeister sprach mit Daniel Hogen, einem Experten auf dem Gebiet der Aromatherapie und seinem Kollegen Jens Dürnhofer, mit dem er eine gemeinsame Website zum Thema betreibt.

Herr Hogen, Sie sind Aromaexperte. Was ist unter Aromatherapie genau zu verstehen?

D.H.: Die Aromatherapie ist ein Teil der Pflanzenheilkunde und verwendet ausschließlich die in den Pflanzen vorkommenden ätherischen Öle, um Schmerzen zu lindern oder Erkrankungen zu heilen. Viele Düfte sind uns aus dem Alltag vertraut. Der Duft von Orangen beispielsweise, von Eukalyptus, Pfefferminz, Mandarine oder Zitrone.

Seit wann gibt es diese Form der Therapie?

Die Aromatherapie ist so alt wie die Menschheit selbst. Denn wohl jede Kultur kennt ursprünglich einen Medizinmann oder Druiden, der mit Hilfe von Pflanzen oder ätherischen Ölen geheilt hat. Die alten Ägypter haben schon ätherische Öle destilliert und für die Pflege ihrer Haut verwendet. Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte der französische Chemiker und Parfümeur René-Maurice Gattefossé die Wirkung der Pflanzenextrakte neu und begründete die Aromatherapie als Wissenschaft.

Wie sind Sie zur Aromatherapie gekommen?

Ich hatte seit der Pubertät Probleme mit der Gesichtshaut. Nichts hat geholfen, egal, womit ich gecremt habe – im Gegenteil. Viele herkömmliche Pflegeprodukte sind ja sehr aggressiv. Mit 20 Jahren hatte ich wirklich schlechte Haut im Gesicht und im Schulterbereich. Dann lernte ich durch eine Kollegin ätherische Öle kennen und habe angefangen, mich damit zu pflegen. Heute ist mein Haut innerlich und äußerlich gesund. Denn Aromatherapie und Naturkosmetik gehören ja letztlich zusammen. Parallel hab ich mich mit den Grundlagen der Aromatherapie auseinandergesetzt. Ich war von Anfang an fasziniert – zum Beispiel vom wunderbaren Bergamotteöl, wie es im Kölnisch Wasser verwendet wird, oder dem Vanilleextrakt, das auch beim Kochen zum Einsatz kommt.

Sie sind Gesundheits- und Krankenpfleger in der Psychiatrie und haben die Zusatzqualifikation „ärztlich geprüfter Aromaexperte“ erworben.

Genau. Als solcher bringe ich meinen Patienten die Wirkung ätherischer Öle als Möglichkeit der Selbstfürsorge nahe. In der psychiatrischen Pflege hat die Aromapflege schon lange Zeit einen hohen Stellenwert und wird als zusätzliche Behandlungsmöglichkeit von Gesundheits- und Krankenpflegern angeboten. In der Klinik sprechen wir immer von Aromapflege, da wir keine Heilung von Krankheiten beabsichtigen, sondern die Förderung der Selbstheilungskräfte aktivieren möchten.

Wie wenden Sie die Aromapflege oder -therapie an?

Es gibt verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Beispielsweise indem man Aromaöle gemischt mit fetten Ölen in die Haut einmassiert, indem man Pflanzenextrakte zu sich nimmt, oder, und das ist sicherlich am bekanntesten, indem man Duftlampen mit den Aromastoffen befüllt und somit die Duftmoleküle im Raum verbreitet. Wenn wir die Inhaltsstoffe über Einreibung oder Massage in den Körper einbringen, haben sie eine nachweisbare Wirkung auf die Organe. Bei psychosomatischen Beschwerden ist das Arbeiten mit den Ölen eine passende Maßnahme, da die Öle auf Körper und Psyche gleichermaßen einwirken. Die fetten Öle, auch Träger- oder Basisöle genannt, liefern der Haut außerdem wertvolle Nährstoffe.

Natur Kosmetik
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Wie wissenschaftlich fundiert sind die Erkenntnisse aus der Aromatherapie?

In den vergangenen Jahren wird die Wirksamkeit der ätherischen Öle zunehmend erforscht. Es gibt beispielsweise die sogenannte Sekretärinnenstudie. Sie besagt, dass bei einer Raumbeduftung mit Zitronenöl die Fehlerrate beim Tippen um 50 Prozent nachließ. Mit dem Gaschromatograph, einer Methode, mit der man Gasgemische in einzelne chemische Verbindungen auftrennt, ist es außerdem möglich, das Öl in seiner chemischen Komplexität zu durchleuchten und die einzelnen Inhaltsstoffe aufzulisten. Wir können die Wirkungen der Pflanzenessenzen dadurch nachvollziehen und erklären, es ist also keine esoterische Arbeit, die wir leisten.

Bei welchen Beschwerden hilft die Aromatherapie?

Im klinischen Kontext helfen Düfte, Stress und Spannungen abzubauen, außerdem wirken Aromen wie Lavendel gegen Schlafstörungen, sind wundheilend und schmerzlindernd. Leidet jemand unter Liebeskummer oder trauert aus anderen Gründen, können wir ihn ebenfalls mit Düften wie Tonkaextrakt oder Benzoe Siam begleiten. In der Erkältungszeit nutzen und schützen wir uns vor den Bazillen mit verschiedenen Ölen in der Duftlampe. Vor allem die Baumöle haben sich als gute Erkältungsöle erwiesen.

Mit Ihrem Kollegen Jens Dürnhofer betreiben Sie den Blog Freiheitsreisen.de. Auf ihm kombinieren Sie die Aromatherapie mit Reisen. Wie hängt beides zusammen?

Aromatherapie beginnt nicht mit den Düften in den kleinen braunen Fläschchen. Sie beginnt auf einem Feld, einem ungangbaren Hang – irgendwo mitten in der Natur also. Teilweise benötigen die Pflanzen viel Pflege, etwa dann, wenn sie auf einer Plantage angebaut werden. Manche Gewächse lassen sich nur mit der Hand ernten. Dies hat alles Auswirkungen auf den Preis und die Qualität.

Uns beiden ist wichtig, die Aromapflanzen vor Ort kennen zu lernen und mit den Destillateuren in Kontakt zu treten. So können wir den Prozess von den natürlichen Rohstoffen bis hin zur Essenz in der Flasche verstehen. Uns verdeutlicht diese Art der Auseinandersetzung, warum ein Rosenöl vergleichsweise teuer ist, warum es Öl aus Sandelholz bald vielleicht nicht mehr gibt, da die Bäume, die über 30 Jahre Zeit für das Wachstum brauchen, einfach wild gefällt werden. Und wir verstehen, warum Melissenöl bei dem die Ausbeute aus dem Pflanzenmaterial gering ist, gerne mit anderen Ölen gestreckt wird.

Weil mir dieser Zugang zur Aromatherapie wichtig ist, mache ich seit geraumer Zeit keinen klassischen Urlaub mehr, sondern organisiere zusammen mit Jens Duftreisen. Unsere Reiseziele wählen wir der Nase nach aus – immer auf der Suche nach neuen Aromapflanzen. Dabei tanken wir viel Kraft. Die Zeit im Grünen ist entspannend und lehrreich zugleich. Es sind Momente voller Achtsamkeit, die ich sehr schätze.

Welche Aromen spielen in Ihrem Alltag eine Rolle?

Ich nutze jeden Tag natürliche Essenzen. Das beginnt bei einer selbstgemachten Lippenpflege, einem Bodywash aus der Naturkosmetikserie von Primavera Life oder einer selbstgemachten Gesichtscreme. In der Erkältungszeit unterstütze ich mein Immunsystem mit einem angenehmen Raumduft wie Zitrone und Cajeput oder indem ich meine Fußsohlen mit den ätherischen Ölen von Ravintsara, Lavendel und Cajeput in einer Sheabutter gemischt einreibe.

Herrn Dürnhofer, von Ihnen stammen die Fotos auf dem Blog Freiheitsreisen. Was verbinden Sie mit Düften?

J.D.: Ich habe zwar keine Aromaausbildung absolviert, doch im Laufe der Jahre war ich bei einigen Seminaren und Duftreisen dabei und habe mir auf diese Weise Wissen angeeignet. Die ätherischen Öle gehören zu meinem Alltag, und ich nutze sie auch in der Küche. Morgens verfeinere ich meinen Kaffee gerne mit Tonkabohnen. Bei der Arbeit trinke ich Wasser mit Pfefferminzhydrolat. Beim Backen eines Schokokuchens verwende ich ein paar Tropfen Orange, und nach einem stressigen Tag entfette ich mein Gesicht am liebsten mit einem Rosenhydrolat, ohne den Säureschutzmantel der Haut zu zerstören. Außerdem habe ich mir ein eigenes Bartöl erstellt und ein wohlriechendes Naturparfüm auf Hydrolatbasis gemischt.

Herr Hogen, wenn jemand sich mit Aromen beschäftigen möchte – wie sollte er da vorgehen?

D.H.: Mittlerweile haben wir eine unübersichtliche Vielzahl an Anbietern für Aromaseminare und Aromaausbildungen. Wichtig ist, dass der Referent mindestens 150 Stunden nachweisen kann. Außerdem sollten sich die Referenten ständig fortbilden, denn die Aromatherapie ist sehr lebendig und entwickelt sich durch neue Forschung beständig weiter. Wer meint, dass er nach zwei Tagen Grundkurs die Aromapflege oder Aromatherapie überblickt, irrt. Zahlreiche Ratgeber am Markt sind esoterisch angehaucht und wissenschaftlich wenig fundiert. Gute Fachliteratur steht meiner Meinung nach von Eliane Zimmermann zur Verfügung, von Ruth von Braunschweig oder Sabrina Herber. Generell sollte jeden Endverbraucher stutzig machen, wenn ein ätherisches Öl, das aus einem langsam wachsenden Rohstoff wie einem Baum gewonnen wurde, zu günstigen Preisen verkauft wird, oder wenn von besonders heilsamen Ölen und Anwendungstechniken berichtet wird.

Dieser Artikel stammt vom Gesundheitsportal „so gesund“.