Gesundheit

Warum sind so viele Schweizer Äpfel mit Pestiziden belastet?

12. Okt. 2016 von

Bis zu 20 Mal besprühen Bauern in der Schweiz ihre Äpfel mit Pestiziden, bevor sie sie ernten. Zu oft – das sagen sogar die Landwirte. Doch um konkurrenzfähig zu bleiben, sind die Produzenten quasi dazu gezwungen, umweltschädliche Gifte einzusetzen. Doch die Chemikalien greifen nicht nur Schädlinge an.

Für die Verbrauchersendung „A Bon Entendeur“ des Westschweizer Fernsehens hat ein Labor 26 Äpfel von Discountern und Einzelhändlern nach Pestizidrückständen untersucht. Das erschreckende Ergebnis: Lediglich in sechs Proben fanden sich keine Reste von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. In den anderen 20 konnten die Labormitarbeiter insgesamt 17 verschiedene Substanzen identifizieren, wie es in der Sendung vom 30. August hieß.

Ende September griffen die Eidgenossen das Thema in dem Format „Kassensturz“ noch einmal auf. Das TV-Magazin legte den Schwerpunkt auf die Frage, warum so viele Äpfel aus der Schweiz belastet sind.

Wie die Redakteure in Erfahrung brachten, werden Obstplantagen bis zu 20 Mal pro Saison zum Schutz vor Tieren und Pilzen gespritzt. Nach Meinung der von ihnen befragten Experten ist das häufiger als notwendig. Auch die Bauern, die in der Sendung zu Wort kommen, würden den Einsatz von Pestiziden minimieren. Doch das Spritzen der auch für sie und die Umwelt gefährlichen Substanzen sei „überlebenswichtig“.

Gift-Mixtur für perfekte Äpfel

Einerseits sollen die chemischen Mittel ihre Ernte selbstredend vor tierischen und pflanzlichen Schädlingen schützen. Andererseits, erklären die Landwirte, sorgen die Pestizid-Cocktails dafür, dass die Äpfel makellos aussehen. Dank der Gifte würde das Obst ohne Dellen und Flecken wachsen. Das sei ungemein wichtig für den Weiterverkauf. Denn früher habe der Einzelhandel gewisse optische Schäden toleriert, heute sei der Qualitätsdruck enorm hoch, sagt Landwirtschaftsberater Urs Müller in „Kassensturz“.

Daher könnten Obstproduzenten nur noch mit äußerlich perfekten Äpfeln wirklich Geld verdienen. Kleinste Makel dritteln den Preis. Wie zum Beweis hält Obstbauer Ralph Gilg eine Frucht mit einer kleinen dunklen Stelle in die Kamera: „Das Flecklein bedeutet, dass ich den Apfel nicht mehr als Klasse 1 verkaufen kann. Der Apfel rutscht in der Sortierung in die Klasse 2.“ Für die Klasse 2 bekäme er rund 45 Rappen, für die Klasse 1 dagegen 1,20 Franken. Wenn er zu viel Obst mit Makeln abliefern würde, sei er deshalb „schlicht nicht mehr fähig, kostendeckend zu produzieren“.

Den Vorwurf, die Landwirte mit dieser Preispolitik unter Druck zu setzen und damit den Einsatz von Pestiziden indirekt zu fördern, wiesen die großen Ladenketten Migros und Coop zurück. Schließlich würden sie sich gemeinsam mit den Bauern auf Richtpreise einigen. Außerdem passe man die Qualitätsnormen den „Schwankungen der Produktion sowie den Bedürfnissen der Konsumenten“ an.

Wiederholungstäter

Bereits im Oktober 2015 stellte „Greenpeace“ nach der Untersuchung mehrerer Dutzend Apfelproben fest, dass 83 Prozent des getesteten Obsts aus Schweizer Supermärkten belastet waren. Bei 60 Prozent der Äpfel wies die Umweltschutzorganisation mindestens zwei Pestizide nach.

Allerdings sollen weder bei den „Greenpeace“-Kontrollen vor einem Jahr noch aktuell bei den Prüfungen durch das Schweizer Fernsehen die gesetzlichen Grenzwerte für Pestizide überschritten worden sein. In Äpfeln aus Bio-Anbau hätten die jeweiligen Tester damals wie heute ohnehin gar keine Rückstände gefunden.

→ Während ihrer Studie nahm „Greenpeace“ auch deutsche Äpfel unter die Lupe. Hier waren 29 von 39 Proben kontaminiert.