Dreiste Werbelügen

Verbrauchertäuschung bei Meeresfrüchten

30. Dez. 2014 von

Es ist nicht immer drin, was draufsteht – das beweist eine aktuelle Untersuchung die von 18 „Meeresfrüchten“ die Hälfte als Mogelpackung identifiziert hat.

Wer eine Pizza frutti di mare oder einen Meeresfrüchte-Salat bestellt, bekommt statt Krabben, Muscheln und Tintenfischen häufig nur ein Imitat. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart hat jetzt bei einer Stichprobe festgestellt, dass oft preiswertere Surimi beigemischt und nicht deklariert werden – der Vorwurf lautet: Irreführung.

Was sind überhaupt Meeresfrüchte?

Ursache für das Problem ist, dass der Begriff „Meeresfrüchte“ rechtlich nicht definiert ist. Auch die Leitsätze des deutschen Lebensmittelbuchs definieren „Meeresfrüchte“ nicht genauer. Es herrscht in der Regel aber Konsens darüber, dass Meeresfrüchte alle essbaren, wirbellosen Meerestiere sind.

Zu den Meeresfrüchten werden beispielsweise Krustentiere, wie Krabben gezählt. Auch Schalentiere, wie Muscheln und Kopffüßler, wie zum Beispiel Tintenfische gehören dazu. Meeresfrüchte können sowohl Fang- , als auch Zuchtprodukte sein. Meist kann man Meeresfrüchte im Handel in Mischungen unterschiedlicher Zusammensetzung erwerben. Bei Fertigpackungen, die meist als TK-Ware angeboten werden, ist die Zusammensetzung dem Zutatenverzeichnis zu entnehmen.

Beim losen Verkauf oder in der Gastronomie hingegen muss man direkt beim Verkäufer oder Gastronom nachfragen um die Zusammensetzung zu erfahren. Gerade hier wird häufig Surimi unter die Meeresfrüchte gemischt. Wird nicht direkt auf die Verwendung des Surimi hingewiesen, dann wird der Verbraucher getäuscht.

Was ist Surimi?

Unter dem Begriff „Surimi“ versteht man zerkleinertes Fisch- oder Krebsmuskelfleisch.

Dieses exotisch klingende Lebensmittel ist allerdings keine neue Erfindung, sondern ein traditionelles Produkt, das schon vor etwa 900 Jahren in Japan entwickelt wurde. Dort hatte man entdeckt, dass gehackter Fisch, der mit Zucker gegart wird, geliert. Durch diese Behandlung ist der Fisch länger haltbar.

Doch die Qualität des Originals und der modernen Form des Surimi ist häufig nicht vergleichbar. Je nach Ausgangsmaterial kann sich die heutige Ware deutlich von seinem Vorbild unterscheiden. Als Ausgangsmaterial können beispielsweise Fischabschnitte oder Fischfilets dienen. Meist werden heute als Ausgangsstoff vor allem nicht direkt vermarktbare Fischarten, wie Magerfisch und auch Krill verwendet.

Wie wird Surimi hergestellt?

Auch die Verarbeitung des Industrie-Surimi hat nichts mehr mit der japanischen Tradition gemein: Der gefangene Frischfisch wird nicht mehr direkt auf See zubereitet, sondern mit Feuchthaltemitteln wie Polydextrose, Sorbit und Polyphosphaten versetzt und roh eingefroren.

Später wird dann durch technologische Schritte wie Waschen und Auspressen eine weiße, pastöse, geschmacksneutrale Masse gewonnen.

Diese unansehnliche Masse wird anschließend einiges beigemischt: Von Hühnereiweiß, Stärke, Öl, Zucker und Salz, bis hin zu Geschmacksverstärkern und Sorbit. Anschließend wird die Masse unter Zuhilfenahme von Wärme verfestigt und je nach Verwendungszweck aromatisiert und zum Beispiel mit Paprikaextrakt gefärbt.

So wird Surimi zu täuschend echt aussehenden Krustentieren wie Krabben oder Hummerschwänzen geformt. Auch Tunfisch-Imitate werden aus Surimi hergestellt.

Am ehesten gibt sich Surimi in Form der sogenannten Surimi-Sticks zu erkennen. Dies sind Stangen aus mehreren aufgerollten Schichten. Bei diesen besteht aufgrund der Form keine Verwechslungsgefahr mit den echten Meeresfrüchten.

Deklarationspflicht

In Deutschland muss zur Vermeidung von Verwechselungen die Verwendung von Surimi bereits in der Erzeugnis-Deklaration erfolgen, zum Beispiel „Meeresfrüchtemischung mit Surimi“. Eine Angabe nur auf der Zutatenliste reicht hingegen nicht aus.

Die „Leitsätze für Fische, Krebs- und Weichtiere sowie Erzeugnisse“ des deutschen Lebensmittelbuchs verlangen, dass Surimi-Produkte als „Surimi, Fischzubereitung aus Fischmuskeleiweiß geformt“ zu bezeichnen sind.

Handelt sich um die Nachbildung eines Krustentieres, wie beispielsweise einer Garnele, muss die Bezeichnung „Surimi, Garnelenimitat aus Fischmuskeleiweiß geformt“ lauten.

Ergebnisse der Untersuchung

Bereits 1994 fand das Hamburger Bundesforschungsanstalt für Fischerei in sieben von zehn Garnelenfleischproben undeklariertes Surimi. Heute sieht es nicht viel besser aus: In einer Untersuchung des CVUA Stuttgart wurden von 18 Proben mit der Auslobung „Meeresfrüchte“ 9 Proben wegen Irreführung beanstandet. Das heißt, bei 50 Prozent der Produkte wurde nicht auf die Verwendung von Surimi hingewiesen.

Die Proben stammten überwiegend aus der Gastronomie und aus Verkaufstheken im Einzelhandel. In einem besonders extremen Fall bestand der angebotene „Meeresfrüchtesalat“ ausschließlich aus Surimi-Sticks, die in Streifen geschnitten wurden.

Das CVUA hat die Proben darüber hinaus auf Zusatzstoffe untersucht. Auch diese müssen bei der losen Abgabe auf dem Schild neben der Ware oder auf der Speisekarte kenntlich gemacht werden müssen. Hier wurden in drei Fällen die Konservierungsstoffe Sorbin- und Benzoesäure nachgewiesen – diese Proben wurden deshalb auch wegen fehlender Kenntlichmachung von Zusatzstoffen beanstandet.

Wie erkenne ich Mogelpackungen bei Meeresfrüchten?

  • Im Restaurant oder bei loser Ware immer nachfragen, ob Surimi enthalten ist.
  • Kauft man Meeresfrüchte im Handel, sollte die Produktdeklaration oder Zutatenliste keine Hinweise auf Surimi enthalten.

Da die Deklaration aber häufig irreführend ist, sollte man auch auf seine eigenen Augen und Geschmacksknospen vertrauen:

  • Surimi fällt optisch als eine homogene, weiße Masse auf.
  • Es ist keine Faserstruktur erkennbar.
  • Surimi-Sticks lassen sich zudem leicht aufrollen.
  • Der Geschmack ist meist süßlich.
  • Surimi ist sehr weich und nicht bissfest.

Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte weitgehend auf Meeresfrüchte verzichten, ob echt oder imitiert. Nicht nur um der eigenen Gesundheit Willen, denn die Weltmeere leiden schon jetzt enorm unter der zunehmenden Überfischung.