Möglicher Grund: Plastik

Umweltgifte selbst in der Tiefsee nachgewiesen

20. Feb. 2017 von

Über die Tiefen unserer Ozeane weiß man bislang noch verhältnismäßig wenig. Nun gibt es jedoch eine neue schockierende Erkenntnis: Giftige Chemikalien, die vom Menschen stammen, sind auch an den tiefsten Stellen der Erde bereits angekommen.

Die Tiefen der Ozeane gehören zu den Orten, über die der Mensch bislang noch am wenigsten weiß — selbst über den Mond ist mehr bekannt.

Obwohl es sich bei den Weltmeeren um das größte Ökosystem der Erde handelt, sind sie immer noch zu 95 Prozent unerforscht. Vor allem in die unwirtlichen Lebensräume der Tiefsee ist der Mensch noch kaum vorgedrungen. Dort herrschen lebensfeindliche Bedingungen: Der Druck der Wassermassen ist tonnenschwer, es ist eiskalt und stockdunkel.

Dennoch stellten Forscher während der ersten Tiefseeexpeditionen in den 1960er Jahren fest: Auch in der Tiefsee – rund zehn Kilometer unter dem Meeresspiegel – gibt es Leben. Diese kaum erforschten Welten sind wohl einige der wenigen Orte der Welt, die noch naturbelassen sind — das nahm man bislang jedenfalls an.

Tiefseeexpedition bringt Überraschendes zu Tage

Neue Expeditionen eines Teams um den Biologen Alan Jamieson von der englischen „Newcastle University“ in zwei Tiefseegräben stellen diese Annahme nun auf den Kopf: Selbst in der Tiefsee hat der Mensch bereits seine Spuren in Form von giftigen Chemikalien hinterlassen.

Autonome Tauchapparate fingen in dem 11.033 Meter tiefen Marianengraben — der weltweit tiefsten Meeresregion — und dem 10.047 Meter tiefen Kermadecgraben im Pazifik sogenannte Flohkrebse. Die kleinen Tiefseelebewesen werden meist nicht größer als wenige Millimeter bis Zentimeter.

Doch nicht der Fund der Flohkrebse überraschte das Forscherteam, sondern Gifte in den Körpern der Tiere, die vom Menschen stammen.

Giftige Chemikalien in Tiefsee-Lebewesen

Bei Untersuchungen der Flohkrebse im Labor entdeckten die Forscher große Mengen zweier giftiger organischer Verbindungen: PCB (polychlorierte Biphenyle) und PDBE (polybromierte Diphenylether). Es handelt sich dabei um nicht abbaubare, inzwischen verbotene Umweltgifte. PCB wurde als Isoliermaterial verwendet und als Weichmacher Lacken und Kunststoffen beigemischt.

Einige Flohkrebse enthielten eine fünfzigmal so hohe Konzentration des Schadstoffs PCB wie Krabben, die in dem stark belasteten chinesischen Fluss Liao He leben, so die Forscher.

Dass so gefährliche Industriechemikalien in einem bislang als unberührt geltenden Lebensraum gefunden wurden, mache deutlich, wie schwerwiegend das Problem mit diesen Stoffen ist, gibt die australische Umweltwissenschaftlerin Katherine Dafforn von der „University of New South Wales“ zu bedenken.

Woher kommen die Chemikalien?

Darüber, wo die Schadstoffe in der Tiefsee stammen, könne man nur spekulieren, schreiben Jamieson und seine Kollegen. Sie vermuten, dass die Gifte aus den vielen Millionen Tonnen Plastikmüll im Pazifik stammen könnten.

Auch aus hochindustrialisierten Regionen Japans und Südostasiens in der Nähe der Meeresgräben, sowie aus alten Schiffswracks könnten die Gifte in die Meerestiefen gelangen.

Kritik an der Messmethode der Forscher

Zwar überrascht das generelle Vorkommen dieser Schadstoffe am tiefsten Punkt der Erde keinen Experten — einige melden jedoch Zweifel an den hohen Konzentrationen an.

„Es fehlen Angaben zu Referenzproben, mit denen man die Identität der untersuchten Stoffe eindeutig belegen kann“, meint zum Beispiel Meeresforscher Oliver Wurl von der „Universität Oldenburg“.

Ob die Erkenntnisse der britischen Forscher bezüglich der Schadstoffkonzentration richtig sind, müssen weitere Forschungen zeigen. Fest steht jedoch: Vom Menschen stammende Chemikalien haben ihren Weg bis in die Tiefsee gefunden.