„Floating Farm“ im Rotterdamer Hafenbecken

Start-up baut schwimmenden Milchkuhbetrieb

21. Juli 2016 von

Warum müssen Bauern eigentlich auf dem Land wirtschaften? Ein niederländisches Start-up will im Herbst mit dem Bau eines schwimmenden Bauernhofs beginnen.

Peter van Wingerden kennt sich mit Gebäuden, die auf dem Wasser treiben, aus. Seine Firma „Beladon“ hat bereits schwimmende Häuser, Hotels und Diskotheken gebaut. Mit seinen Architekturen schafft er an Ufern, in Häfen und in Flüssen neue Lebensräume. Diese Idee findet in seiner niederländischen Heimat – wo ein Fünftel der Landesfläche vom Wasser bedeckt ist – großen Anklang.

Kühe, die auf dem Wasser wohnen

Auch van Wingerdens neues Projekt, für das er eigens das Unternehmen „Floating Farm“ gegründet hat, wird auf dem nassen Element treiben: Für rund zweieinhalb Millionen Euro soll ab Oktober in Rotterdam ein schwimmender Bauernhof entstehen.

Rund 40 Kühe sollen auf der etwa 1.200 Quadratmeter großen Schiffsfarm leben: Im laufenden Betrieb (ab 2017) sollen die Kühe dann täglich rund 1 000 Liter Milch geben, die in der Anlage weiterverarbeitet und verkauft werden.

Neue Nutzflächen, kurze Wege

Aus zwei Gründen hält „Floating Farm“ ihr Konzept für zukunftsweisend: Ackerland wird durch Urbanisierung und den Ausbau von Verkehrswegen knapper. In den Niederlanden drohen noch dazu der Klimawandel und der damit verbundene Anstieg des Meeresspiegels, nutzbares Land untergehen zu lassen. „Es macht also Sinn, sich das Wasser zunutze zu machen“, schlussfolgert Minke van Wingerden, Sprecherin von Floating Farm und Ehefrau von Peter van Wingerden.

Außerdem würden die meisten Großstädte an Deltas und Flüssen weit weg von Ackerland liegen. Ein schwimmender Milchviehbetrieb wäre eine Möglichkeit, Lebensmittel direkt in den Metropolen zu produzieren. Minke van Wingerden zur „Berliner Morgenpost“: „Dadurch können wir Transportwege verkürzen und so die Emission verringern. Zudem müssen wir keine weiteren Landflächen für die landwirtschaftliche Nutzung verwerten.“

Das Konzept integriert zudem die Nutzung von Solarenergie und Regenwasser. Die Kühe selbst sollen auf Kunstrasen und stehen und echte Bäume einen möglichst naturnahe Atmosphäre bieten.

Forschung und Fragen

In der High-Tech-Anlage soll aber nicht nur gewirtschaftet, sondern auch geforscht werden. Wissenschaftler planen dort zum Beispiel das den Umständen entsprechend richtige Kuh-Futter zu finden, das Wachstum von Gras und Klee unter LED-Lampen zu untersuchen sowie die effizienteste Art der Strom- und Wärmegewinnung durch Tierdung zu ermitteln.

Der Frage, ob Rinder seekrank werden, müssen die Forscher allerdings wohl nicht nachgehen. Der Ponton wird laut „Floating Farm“ fest vertäut sein und das Hafenwasser in Rotterdam sei ohnehin ruhig.

Doch im Sinne der Kühe sollten noch andere Dinge geklärt sein: Reicht eine Anlage, die etwa so groß ist wie ein Eishockeyfeld, für die Kühe? Genügen ein Boden aus Kunstrasen und echte Bäume, um den Tieren eine naturähnliche Umgebung zu bieten? Was passiert, wenn die Tiere in Panik geraten und alle in eine Ecke rennen? Und wie können sie gerettet werden, wenn die Plattform havariert?

Konzept übertragbar

Hat „Floating Farm“ vernünftige Antworten und Lösungen zu diesen und ähnlichen Fragen in petto, kommt Peter van Wingerden der Umsetzung seiner Vision von einer Welt voller schwimmender Bauernhöfe wahrscheinlich einen Schritt näher.

Der Geschäftsmann hatte bereits 2015 in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“ gesagt, dass die Milchviehhaltung für ihn nur der Anfang sei und dass sich das Konzept auch auf Hühner- oder Gemüsefarmen übertragen lasse. Und diese schwimmenden Farmen könnte „Floating Farm“ „praktisch überall auf der Welt bauen, wo es geeignete Gewässer gibt“. Rosige Aussichten für van Wingerdens Start-up.