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"Mindestens haltbar bis: ..." CDs droht der digitale Datentod

12. Nov. 2007 von

Riesigen Datenmengen auf optischen Speichermedien - Fotos, Musik und Filmen - droht der Verfall. Betroffen sind alle Arten von Silberscheiben: Audio-CDs ebenso wie CD-Rs und DVDs. Sie alle sind anscheinend wesentlich weniger haltbar als von der Industrie behauptet. Abhängig von der Qualität, der »

"Mindestens haltbar bis: ..." müsste daher eigentlich auf jeder CD stehen. Dass nichts für die Ewigkeit gemacht ist, ist eine banale Erkenntnis. Allerdings wurden gerade CDs bei ihrer Einführung in den 1980er Jahren als besonders präzises und haltbares Speichermedium beworben, bei den DVDs war es ähnlich. Noch heute geben CD-Hersteller die Lebensdauer ihrer Scheiben mit 100 bis 200 Jahren an. Untersuchungen über die Haltbarkeit der CD, die nicht von Herstellern selbst angestellt wurden, sind bislang Mangelware.

CDs im Alltagsstress

Unter "optimalen Bedingungen", so heißt es immer wieder, könnten CDs eine Lebensdauer bis zu 50 Jahren und mehr erreichen. "Das alles gilt aber nur, wenn die CDs vor Licht und Wärme optimal geschützt werden, wenn sie nicht gebogen oder zerkratzt, wenn sie nicht zu heiß oder zu kalt gelagert und vor Feuchtigkeit geschützt werden", sagt Matthias Hemmje von der Fernuniversität Hagen im Gespräch mit ZDFonline. Das heißt aber auch: Anfassen oder gar benutzen verboten! Nicht gerade die Alltagsbedingungen für eine CD oder DVD.

INFOBOX

Sandwich für den "Toaster"

CDs sind aus mehreren Schichten aufgebaut. Als Formgeber und Grundlage jeder Scheibe dient eine Lage Polycarbonat. Darauf wird eine dünne Reflexionsschicht aus Gold, Silber oder Aluminium aufgebracht. Bei der industriell gefertigten Audio-CD wird die Information in Form von Vertiefungen (Pits) und Zwischenräumen (Lands) eingepresst und die Scheibe dann mit einem Schutzlack überzogen. Bei der CD-R wird hingegen ein Farbstoff aufgetragen, der die Information aufnehmen kann. Er zerfällt an den Stellen, an denen ihn der Strahl des Schreiblasers trifft und färbt sich schwarz. Dadurch entstehen dann optische Pits und Lands, die den Datenstrom von Nullen und Einsen ergeben.

Tatsache sei jedoch, so Hemmje, der sich als Lehrgebietsleiter an der Fernuniversität mit digitaler Langzeitarchivierung befasst, dass CDs kein Archivmedium, sondern ein Verbrauchsmedium seien. "Ich selber habe vor drei, vier Jahren aufgehört, CDs zum archivieren zu verwenden, weil ich immer wieder Ausfälle hatte", berichtet er. Und in vielen Fällen habe er nicht einmal rekonstruieren können, warum die CDs nicht mehr lesbar gewesen seien.

ZITAT

„Gott sei Dank hat Moses die zehn Gebote nicht auf CD hinterlassen.“

Zukunftsforscher Jeff Rothenberg, RAND-Corporation

Gründe für den Datentod

Den Silberscheiben droht Ungemach gleich von vielen Seiten. So kann sich der organische Farbstoff, der bei CD-Rs und DVD-Rs die Information trägt, unter UV-Licht zersetzen. Dabei kommt es maßgeblich auf die Art des Farbstoffs und auf die Intensität der Sonneneinstrahlung an. Auch die Umgebungsfeuchtigkeit und Haarrisse durch Biegen spielen eine Rolle. Durch eine mangelhafte oder beschädigte Schutzversiegelung am Rande der Silberscheibe kann Feuchtigkeit eindringen. Dies beschädigt die Informationsschicht, kann die Brechung des abtastenden Laserstrahls verändern oder zur Ablösung der Reflexionsschicht führen.

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CD-Rohlinge und ihre Farbstoffe

Gold = Phthalocyanin

CD-Rohlinge mit dem Farbstoff Phthalocyanin sind silbrig-grün, silber- oder goldfarben. Der Farbstoff ist chemisch ausgesprochen stabil und hat von allen die längste Lebensdauer. In Verbindung mit einer Goldbeschichtung zur Reflexion ergibt sich die größte Haltbarkeit und Zuverlässigkeit.

Blau = Azo

Azo-Farbstoffe sind tiefblau und chemisch fast so stabil wie Phthalocyanin. Bei den Rohlingen kommt eine silberne Reflexionsschicht zum Einsatz, um trotz der blauen Färbung eine ausreichende Reflexionsfähigkeit sicherzustellen. Azo-Scheiben sollen genauso lange halten wie solche aus Phthalocyanin, haben jedoch schlechtere Kontrastwerte und sind vermutlich deshalb anfälliger für die Auswirkungen von Datenfehlern.

Grün = Cyanin

Die Rohlinge mit einem organischen Farbstoff auf Cyanin-Basis besitzen eine grüne Färbung. Der Farbstof ist chemisch weniger stabil und die Lebensdauer ist relativ kurz verglichen mit einer Speicherschicht auf Phthalocyanin-Basis. Die Reflexionseigenschaften sind wegen der grünen Färbung schlechter und die Verbrennung weniger exakt. Die Haltbarkeit beträgt vermutlich deutlich weniger als zehn Jahre.

Allein aus der Farbe des Rohlings auf die Beschichtung zu schließen, ist allerdings nicht immer möglich! Viele Hersteller mischen Farbzusätze bei, um Cyanin-Farbstoff-CDs nicht als solche erscheinen zu lassen. Allein aus der goldenen Farbe auf eine Phthalocyanin-CD zu schließen, wäre wohl falsch.

Aber auch gepresste Audio-CDs und DVDs sind nicht immun gegen den Zahn der Zeit. So kann es vorkommen, dass eingedrungene Feuchtigkeit die den Laserstrahl reflektierende Schicht aus Aluminium angreift. Mit der Zeit wird dann aus dem Aluminium ein Aluminiumhydroxid, das lichtdurchlässig ist. Die Folge: Der Laserstrahl wird nicht mehr reflektiert, die Fehlerrate steigt bis zum Exitus der CD. Legendär sind auch Fälle, in denen chemische Prozesse zwischen den verschiedenen Stoffen der Schichten und der Bedruckung zur Auflösung der Scheibe führen. Verfärbungen am Rand der Scheibe sind immer ein schlechtes Zeichen!

Alarmierende Untersuchungen

Vor allem aus Nordamerika kommen seit zwei Jahren besorgniserregende Untersuchungsergebnisse zur Haltbarkeit optischer Speichermedien. Bei einem Stabilitätsvergleich traktierten Wissenschaftler des US-amerikanischen National Institute of Standards and Technology CD-Rs und DVD-Rs verschiedener Hersteller mit starkem UV-Licht, großer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit. Als halbwegs stabil erwiesen sich dabei nur die teuersten Silberscheiben mit Phthalocyanin-Farbstoff und Silber- beziehungsweise Goldbeschichtung.Ähnlich drastische Ergebnisse lieferte ein so genannter Alterungssimulationstest (Arrhenius-Test: 80 Grad Celsius, 85 Prozent Luftfeuchtigkeit) des Canadian Conservation Institute.

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Fehler sind zulässig

Wichtigstes Kriterium für den Zustand einer CD oder CD-R ist die so genannte Block Error Rate (BLER), die Anzahl der fehlerhaft gelesenen Datenblöcke pro Sekunde. Ein Wert von 220 gilt nach Definition der Industrie als absolute Obergrenze. Beim Brennen und Auslesen der Daten können drei Sorten von Fehlern auftreten: Typ E11 (Daten wiederherstellbar), E21 (Daten wiederherstellbar), E31 (Daten nicht wiederherstellbar). Bei nicht wiederherstellbaren Datenfehlern muss das Lesegerät interpolieren. Zu viele Fehler bremsen die Auslesegeschwindigkeit und führen irgendwann dazu, dass die CD nicht mehr lesbar ist. Bei DVDs gilt als Obergrenze eine Rate von 280 Fehlern.

Nach 84 Tagen in der Klimakammer hielten noch 38 Prozent aller Audio-CDs die von den CD-Herstellern als Obergrenze definierte BLER-Rate ein. Bei den CD-Rs erlitten vor allem die mit Cyanin- und Azo-Farbstoff herbe Verluste: Nur vier Prozent der Cyanin-Discs und null Prozent der Azo-Scheiben erfüllten noch die Minimalvoraussetzung. Lediglich die Phthalocyanin-CD-Rs zeigten sich mit 72 Prozent einigermaßen stabil. Bei ihnen lag die durchschnittliche BLER-Rate sogar auffallend niedrig. Katastrophal schnitten hingegen DVDs ab. Nur 28 Prozent der industriell gefertigten DVDs erfüllten noch die Anforderungen an die maximale Fehlerrate. Noch schlechter schnitten DVD-R ab, nur acht Prozent aller Scheiben überlebten den Test. Die Überlebensquote bei den DVD-RWs war hingegen glatt Null: Keine der Scheiben war mehr auslesbar.