Grönland: Klimawandel könnte giftigen Müll freischmelzen

Reste einer ehemaligen US-Militärbasis in Grönland könnten durch die steigenden Temperaturen aus der Eisschicht wieder ans Tageslicht kommen. Mit dabei: radioaktiver Abfall.

Im Jahr 1959 errichtete die US-Armee das Camp Century im ewigen Eis Grönlands. Im Kalten Krieg diente die Basis als Testgelände für die Stationierung von Atomraketen. Knapp zehn Jahre später wurde der Stützpunkt aufgegeben und verlassen. Zurückgelassen wurde die Infrastruktur mitsamt biologischen, chemischen und radioaktiven Abfällen.

Klimawandel verändert alles

Die Militärs gingen damals davon aus, dass der giftige Müll unter dem Eis ewig begraben bleiben würde. Jahrzehnte später macht die Realität des Klimawandels klar: die gefährlichen Stoffe könnten wieder ans Tageslicht kommen und in die umliegende Umwelt gelangen.

Wie eine Forschergruppe der Universität Zürich mitteilt, wird gegen Ende dieses Jahrhunderts die Eisschicht über dem Stützpunkt abgeschmolzen sein. Die vergrabenen Schadstoffe würden dann die umliegenden Ökosysteme gefährden und ins Meer gelangen. Dazu zählen schätzungsweise 200.000 Liter Dieseltreibstoff, der damals übliche, giftige Baustoff Polychlorbiphenyl und schwach radioaktives Kühlwasser aus dem Kernreaktor des Camps.

Aus dem Auge, aus dem Sinn

Früher wurde es in vielen Regionen als normal angesehen, Abfall zu vergraben und als erledigt zu betrachten. Der Klimawandel bewirkt, dass sich die davon betroffenen Orte verändern. Gerade die Arktis hat sich in den vergangen Jahren stark erwärmt. Studienautor Horst Machguth von der Universität Zürich meint gegenüber der „NZZ“ besorgt: „Die Klimaszenarien deuten nicht darauf hin, dass der Schneefall unendlich lange über die Schmelze dominieren wird. Vielmehr könnten wir es schon im Jahr 2090 mit einer Nettoschmelze zu tun bekommen.“

Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich die zuständigen Behörden mit dem Fall „Camp Century“ ernsthaft befassen müssen, um den Abtransport der Abfälle zu organisieren. Es wird wohl nicht der einzige Ort bleiben, an dem alte, menschliche Sünden wieder zutage kommen werden.