Zu sorgloser Umgang trotz oft starker Nebenwirkungen?

Die "Pille danach": Erhöhte Nachfrage seit Rezeptfreiheit

20. Feb. 2016 von

Seit März 2015 gibt es die „Pille danach“ auch ohne Gang zu den Ärzten. Die Verkaufszahlen des Notfallverhütungsmittels stiegen daraufhin um 40% an, pendeln sich aber seitdem bei monatlich circa 60.000 verkauften Präparaten ein. Ein Rückblick auf die Diskussion.

Für die erklärten Gegner der „Pille danach“ ohne Rezept wird der sprunghafte Anstieg der Verkaufszahlen nach dem letzten März Wasser auf Mühlen gewesen sein. Vor allem der CDU-Politiker Jens Spahn wird sich bestätigt gefühlt haben. 2014 äußerte er in einem Gastbeitrag in der ZEIT, man müsse offenbar betonen, dass es sich bei der Pille danach „nicht um Smarties handle“. Auch Frauenärzte warnten vor einer Freigabe des Medikaments. Sie befürchteten eine mangelnde Beratung, sowie einen zu sorglosen Umgang mit dem Präparat.

Vor allem Frauen hatten sich jahrelang für eine Rezeptfreiheit der Pille danach eingesetzt. EU-weit gibt es, außer in Italien und Polen, schon länger keine Rezeptpflicht für die Notfallverhütung mehr. Die Argumentation vieler Befürworter in den Jahren vor der Entscheidung: Warum sollten deutsche Frauen im Umgang mit dem Medikament nicht genauso verantwortungsbewusst sein wie die Frauen im restlichen Europa? Wichtige weitere Aspekte für die Befürworterinnen waren die bessere Verfügbarkeit, die damit verbundene höhere Wirksamkeit, und das Ersparen eines häufig unangenehmen, teilweise als erniedrigend empfundenen Arztbesuches.

Große Unsicherheit bezüglich der Wirkungsweise

Die öffentliche Debatte wurde vor allem 2014 hitzig und dabei nicht immer sachlich geführt. Auf Twitter wehrten sich Frauen aller Altersstufen unter dem Hashtag #wiesmarties gegen den Vorwurf, einen unverantwortlichen Umgang mit dem Medikament zu befürworten. In einer Online-Petition hieß es: „In Deutschland wird auf dem Rücken der Frauen eine moralische Debatte geführt, keine medizinische.“

Die moralische Diskussion resultierte zum Teil aus schlichter Unkenntnis bezüglich der Wirkungsweise der verschiedenen als „Pille danach“ bekannten Präparate. So wurden die Medikamente in den Medien häufig noch als „Abtreibungspille“ bezeichnet – was falsch ist.

Der Wirkstoff Levonorgestrel verhindert keine Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle, sondern zögert hormonell einen noch nicht erfolgten Eisprung hinaus. Ist also vor einem Eisprung eine Verhütungspanne passiert, kann die Pille danach eine ungewollte Schwangerschaft verhindern, indem sie den Eisprung nach hinten verschiebt. Wichtig ist eine zeitnahe Einnahme, denn je schneller das Medikament genommen wird, desto wirksamer kann es bei noch nicht erfolgtem Eisprung sein. Ethisch ist das Medikament also jeder anderen Verhütungsmethode gleichzusetzen. Gesundheitlich gilt dies selbstverständlich nicht.

Eingriffe in den Hormonhaushalt haben Nebenwirkungen

Obwohl die einmalige Einnahme der Pille danach als gesundheitlich unbedenklich gilt, muss die Anwenderin mit teilweise heftigen Nebenwirkungen rechnen. So gehören Veränderungen des Zyklus, stärkere Blutungen sowie Kopfschmerzen zu den häufiger beobachteten Nebenwirkungen. Auch Übelkeit und Erbrechen können auftreten.

Im Fall des alternativen Wirkstoffs Ulipristal­acetat (z.B. bei dem Präparat „ellaOne“) ist zudem noch nicht abzuschätzen, ob das Medikament Fehlbildungen des Embryos begünstigt, falls es trotz der Einnahme zu einer Schwangerschaft kommt. Die bekanntere „PiDaNa“ ist diesbezüglich ungefährlich.

Apothekerinnen und Apotheker klären beim Kauf über diese Aspekte auf – und übernehmen damit die wichtige beratende Funktion der Frauenärzte. Wer sich dennoch unsicher ist oder sich nicht gesund fühlt, kann, darf und sollte den Umweg über die Ärztin oder den Arzt des Vertrauens nehmen. Minderjährige Frauen müssen, da sie von der Rezeptfreiheit ausgenommen sind. Positiver Nebenaspekt des Arztbesuchs: Ein Arzt kann das Medikament weiterhin verschreiben, so dass die Kassen die Kosten übernehmen. Bei Verzicht auf den Arztbesuch müssen die Kosten zwischen 17 und 35 Euro selbst getragen werden.

Einige der im letzten Jahr nachdrücklich geäußerten Bedenken von Gegnern der Rezeptfreiheit haben sich bis heute nicht bestätigt. So kommt zum Beispiel die Studie „frauen leben“ zu dem Ergebnis, dass die Pille danach nicht sorglos als alternatives Verhütungsmittel wahrgenommen wird, sondern ausschließlich als Notfallmedikation. Darüber hinaus lässt die Befragung die Schlüsse zu, dass der gestiegene Einsatz der Pille danach die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche reduzieren kann. Auch Sicherheitsprobleme bei der Ausgabe des Medikaments, so der Präsident der Bundesapothekerkammer Andreas Kiefer, habe man bisher nicht feststellen können.

So ist trotz der zunächst gestiegenen und jetzt stabilen Nachfrage nach der Pille danach festzuhalten, dass der befürchtete bedenkenlose Konsum ausgeblieben ist. Man muss Frauen also vielleicht doch nicht immer wieder sagen, dass es sich nicht um Smarties handelt.