Umwelt

Biologische Vielfalt in der Schweiz unter Druck

28. Mai 2015 von

Die biologische Vielfalt ist in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Doch noch ist eine Trendumkehr möglich: Nötig sind umfangreiche Maßnahmen in allen Gesellschaftsbereichen.

Massive Verluste der biologischen Vielfalt

Biodiversität, oder biologische Vielfalt, meint Qualität, Quantität und Vielfalt der Ökosysteme, Arten und Gene. Die Schweiz ist aufgrund der Topographie, der großen Höhenunterschiede und der Lage im Herzen Europas ein Land mit einer reichen biologischen Vielfalt. Grüne Felder, blühende Natur, atemberaubende Landschaften, dafür ist die Schweiz bekannt. Doch der Schein trügt, die Statistik der vergangenen hundert Jahre zeigt eine negative Entwicklung: Bestände vieler Arten sind auf ein tiefes Niveau zurückgegangen, ein langfristiges Überleben der Arten ist nicht gesichert.

Fakten und Zahlen

  • Die Siedlungsfläche nimmt ständig zu, Pflanzen- und Vogelarten in Siedlungen nehmen ab. Einzelne Arten konnten in Städten gefördert werden, darunter verschiedene Pflanzen, Fledermäuse und Vögel.
  • Die Bestände der seltenen Amphibienarten sind trotz Schutz der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung rückläufig.
  • Seit 1859 wurden 70 Prozent der Auen zerstört.
  • In der Rhone sank die Anzahl Fischarten seit 1859 von 19 auf 5 und in größeren Flüssen haben invasive Arten praktische die gesamte einheimische Fauna verdrängt.
  • Auf 95 Prozent der Schweizer Waldfläche werden die kritischen Belastungsgrenzen für Stickstoffeinträge übertroffen.
  • Zwischen 1900 und 2010 betrug der Flächenverlust bei den Mooren 82 Prozent. Trotz Moorschutz verschlechtert sich die Qualität der verbliebenen Hoch- und Flachmoore durch Austrocknung. 100 Prozent der Moore und 84 Prozent der Flachmoore sind viel zu hohen Stickstoffeinträgen aus der Luft ausgesetzt.
  • Die Artengemeinschaften der Wiesen werden immer einheitlicher. Pflanzenschutzmittel schädigen die Bestände von Insekten, Spinnen, Vögeln und Amphibien, die im Agrarland leben.

Biologische Vielfalt sichert unser Überleben

Die Erhaltung der Biodiversität ist aus ethischen, religiösen, gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Gründen sehr wichtig. So liefert sie Produkte und Dienstleistungen, von denen die ganze Gesellschaft profitiert. Biologische Vielfalt sichert unsere Ernährung, liefert medizinische Wirkstoffe, sorgt für sauberes Wasser, fruchtbare Böden und attraktive Wohn-, und Freizeitlandschaften.

Kurz: Biologische Vielfalt beeinflusst viele wichtige Aspekte unseres Lebens, ohne die wir vor einem großen Problem stehen. Wenn eine Tier- oder Pflanzenart aus einer Region der Schweiz verschwindet, geht ein Stück Heimat und Identität verloren. Zudem sind klimatische Veränderung, Extremereignisse und die Einschränkungen von lebenswichtigen Leistungen für den Menschen mögliche Auswirkungen einer eingeschränkten Biodiversität. Wenn es nicht gelingt, den Verlust von Biodiversität zu stoppen, werden für Europa im Jahr 2050 Einbußen von vier Prozent der Bruttoinlandprodukte vorausgesagt.

Wissenschaftler rufen zum Handeln auf – so reagiert die Politik

Die Wissenschaftler betonen, dass die Erhaltung und Förderung der Biodiversität in der Schweiz ohne große zusätzliche Anstrengungen in allen Gesellschafts- und Politikbereichen nicht zu erreichen sind. Um diese Maßnahmen durchzuführen, hat der Bundesrat einen „Aktionsplan zur bundesländlichen Strategie Biodiversität Schweiz“ aufgesetzt. Dieser Aktionsplan soll ungefähr bis 2020 umgesetzt werden und ein Budget von 210 Millionen Franken pro Jahr verschlingen. Widerstand aus bäuerlichen und wirtschaftsnahen Kreisen ist deshalb bereits laut geworden.

Risiken und Chancen

Vielerorts zeigt sich, dass sich Anstrengungen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt lohnen - zum Beispiel bei gezielten Maßnahmen für einige stark bedrohte Vogelarten, bei Revitalisierung von Gewässern oder bei der Wiedereinführung einer biodiversitäts-fördernden Wiesennutzung. So stieg in der Innerschweiz die Zahl der Pflanzenarten innerhalb von zehn Jahren um zwanzig Prozent an.

Doch die bisher ergriffenen Maßnahmen reichen nicht aus, um die Biodiversität in der Schweiz zu erhalten. Die Verbesserungen können die Verluste bei weitem nicht wettmachen. Die biologische Vielfalt geht weiter zurück: Im Aargau sinkt die Artenvielfalt in Siedlungen seit Ende der 1990er Jahre kontinuierlich. Auf den Feldern ist es zunehmend still geworden, Heuschrecken und Lerchen trifft man nur noch selten an. Um diesen Negativtrend zu verhindern, müssen Maßnahmen im großen Maßstab umgesetzt werden. Für die Wissenschaft ist die Umsetzung des Aktionsplans des Bundesrats deshalb von höchster Priorität.

Quellen:

http://www.nzz.ch/schweiz/wissenschafter-rufen-zum-handeln-auf-1.18526700#register

http://www.naturalsciences.ch/organisations/biodiversity/publications