Falsche Ernährung

Armut gefährdet geistige Entwicklung von Kindern

24. Sept. 2015 von

Beim Essen geht es nicht nur darum, satt zu werden, sondern vor allem darum, gesund zu bleiben. Aber gesunde Ernährung ist auch eine Frage des Einkommens: Menschen mit wenig Geld ernähren sich meist schlechter.

Kinder und Jugendliche besonders betroffen

In Deutschland ist chronische Unterernährung zum Glück selten, dennoch sprechen Experten von einer Rückkehr der Ernährungsarmut.

Davon seien besonders Kinder und Jugendliche betroffen, die in Armut aufwachsen müssen. Auch Prof. Dr. Hans K. Biesalski, Ernährungsmediziner an der Universität Hohenheim, warnt vor den Folgen vor allem bei Kindern — besonders in den ersten beiden Lebensjahren. „Das sogenannte 1000-Tage-Fenster ist der entscheidende Zeitraum – falsche Ernährung in dieser Zeit hat massive Konsequenzen für die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder“, warnt der Experte. Er plädiert für eine bessere Nährwertkennzeichnung der Lebensmittel und mehr Aufklärung.

Lebensmittel, die reich sind an wichtigen Nährstoffen, sind deutlich teurer als solche mit viel Fett und Energie. „Leute, denen wenig Geld zur Verfügung steht, ernähren sich qualitativ schlechter, und das hat nicht nur mit dem Bildungsstand zu tun“, so Prof. Dr. Hans K. Biesalski, Direktor des Food Security Centers an der Universität Hohenheim.

Folgen sind häufig Übergewicht und zugleich ein Mangel an wichtigen Nährstoffen. Gesunde Ernährung für alle sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und ein Gebot sozialer Gerechtigkeit“, meint der Experte.

Nährwertkennzeichnung für gesunde Ernährung

Um eine Versorgung mit allen 49 essentiellen Nährstoffen zu gewährleisten, schlägt Prof. Dr. Biesalski ein einfaches Instrument vor: Die Nährwertkennzeichnung nach dem Nutrient Density Score (NDS). Er zeigt das Verhältnis von Nährstoffdichte zur Energiedichte eines Lebensmittels an.

„Diese einfache Zahl ist wesentlich aussagekräftiger als die Prozentangaben des Tagesbedarfs, die momentan auf den Verpackungen zu finden sind“, so Prof. Dr. Biesalski. Sie könne sehr dazu beitragen, dass man sich und seine Kinder gesund ernährt, also „qualitativ gut und quantitativ nicht zu viel.“

Gesunde Ernährung mit Hartz-IV?

Besonders betroffen seien alleinerziehende junge Mütter, die von Hartz IV leben müssen. Nicht nur für sie sei mehr Ernährungsbildung und Aufklärung dringend nötig, die am besten schon in der Schule ansetzen sollte.

Allerdings sei mit einem Hartz-IV-Regelsatz von 2,47 Euro pro Tag für Kinder bis vier Jahre keinesfalls eine gesunde Ernährung möglich. Handlungsbedarf und Überlegungen, wie man die Ernährung der Kinder verbessern könnte, sieht Prof. Dr. Biesalski in der Verantwortung der Bundesländer.

Gesellschaft und Politik müssen handeln

Um gegen die Mangelernährung vorzugehen, seien zum Beispiel kostenloses Essen in Kitas und Ganztagsschulen eine Option. Auch Kinderärzte sollten bei den ganz Kleinen künftig genauer auf Mangelerscheinungen achten. „Dazu ist ein öffentlicher Diskurs erforderlich, wie man das Problem angehen kann und will“, meint Prof. Dr. Biesalski.

„Gänzlich außerhalb unseres Fokus sind Flüchtlinge und besonders Kinder, die häufig bereits mangelernährt bei uns ankommen“, mahnt der Ernährungsmediziner. „Hier bedarf es einer raschen Analyse des Zustandes und einer ebenso raschen Kompensation der Mangelernährung.“